9. Tiroler Bautag in Innsbruck zum Thema "Pfusch am Bau"

9. Tiroler Bautag in Innsbruck zum Thema
v.l. Spartenobmann Georg Steixner, Landesinnungsmeister Anton Rieder, Moderator und Wirtschaftsexperte Ronald Barazon, Andreas Oberlechner (Rechts- und Konsumentenpolitische Abteilung der AK Tirol) und Günther Nussbaum (ATV Serie „Pfusch am Bau“) (Foto: ofp)

Innsbruck (A) Bereits zum neunten Mal versammelten sich Experten der Bauszene im Congress Innsbruck und diskutierten beim Tiroler Bautag über eine brisante Thematik: „Pfusch am Bau“ stellte das diesjährige Motto der Veranstaltung dar.

Seit bereits neun Jahren setzt der Tiroler Bautag Impulse und greift wichtige Themen der heimischen Branche auf. Das Thema „Pfusch am Bau“ bildete am 30. März 2016 das Fundament der diesjährigen Auflage, welche vom Wirtschaftsexperten Ronald Barazon moderiert wurde. In der Begrüßungsrede betonte Landesinnungsmeister Anton Rieder, dass die Tiroler Bauwirtschaft auf ein zufriedenstellendes Jahr 2015 zurückblicken kann. In Zusammenarbeit mit der Politik konnte die Landesinnung wichtige Fortschritte – unter anderem mit dem Impulspaket – erzielen. Die Arbeitslosenrate ist rückläufig, rahmenrechtliche Bedingungen – insbesondere in Sachen technischer Bauvorschriften - wurden verbessert und das Image weiter aufgebaut. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, auf Probleme aufmerksam zu machen. Heute geht es nicht nur um die Frage, welche Mängel am Bau bestehen, sondern auch darum, welche Verbesserungsansätze existieren“, so Rieder.

Zu viele Subunternehmer versalzen die Suppe!
Andreas Kreutzer, GF von Kreutzer Fischer & Partner Consulting GmbH, stellte in seinem Vortrag eine Baumängel-Studie vor. Bei praktisch jedem Neubauprojekt im Wohnbaubereich wird zumindest in einem Gewerk ein Mangel festgestellt. In Ostösterreich – insbesondere in Wien – ist die Lage dramatisch, im Westen hingegen noch positiv. Um eine langfristige Verbesserung anzusteuern, nennt er drei Maßnahmen: Personalqualifikation, Zeitmanagement sowie Vertrags- und Planungsqualität. „Entscheidend ist es, den fachlich qualifizierten Nachwuchs abzusichern. So kann verhindert werden, dass die höheren Qualitätsdämme in Tirol nicht auch noch einbrechen“, so Kreutzer. Die Gründe für die Baumängel sind vielfältig. Zum einen sinken die Vorgabezeiten aufgrund des steigenden Preis- und Kostendrucks. Auf den Baustellen muss die Arbeit immer schneller erledigt werden. Als weitere Ursachen nennt er den Mangel an qualifiziertem Personal, sich widersprechende Normen, Planungsfehler von Architekten und den hohen Anteil an Subunternehmern – unter anderem aus den östlichen Nachbarländern. „Die technische Komplexität hinsichtlich der Ausführung steigt stetig, daher werden vor allem heutzutage eigentlich immer höhere Qualifikationen benötigt. Tatsächlich haben wir aber weniger“, warnt Kreutzer. Sein Appell für die Zukunft: Mehr Innovation am Bau!

Weniger Baumeister – mehr Pfusch!
Der aus der ATV Serie „Pfusch am Bau“ bekannte Bausachverständige Günther Nussbaum setzt sich in seinem Arbeitsalltag täglich mit Mängeln auseinander. In seinem Impulsreferat spricht er über Normen, die keiner umsetzt. „Auch wenn etwas nicht normgerecht ist, kann es gut funktionieren. Es ist die Aufgabe des Sachverständigen, mehr Verantwortung zu übernehmen“, so Nussbaum. Er empfiehlt den Endverbrauchern ebenso, sich für einen Generalunternehmer zu entscheiden und so wenig wie möglich Subunternehmer zu engagieren. Der Großteil der Baumängel entsteht im Schnittstellenbereich. Die mangelhafte Zusammenarbeit und Koordination aller Beteiligten führt häufig zu Problemen. Die Frage, wer die Verantwortung trägt, ist oftmals unklar. „Meiner Meinung nach hat die Gewerbe-Liberalisierung einen wesentlichen Schuldanteil an dem erhöhten Pfusch-Anteil. Es gibt immer weniger Baustellen, an denen ein Baumeister vor Ort ist. Auch wenn es kostenintensiver ist, empfehle ich den Endverbrauchern, massiv zu bauen. Eine gute Beratung führt in vielen Fällen dazu, dass sich die ‚Häuselbauer’ für mehr Qualität entscheiden“, so Nussbaum. Der Sachverständige betont in seinem Vortrag ebenso, dass er sich für die Zukunft eine verpflichtende Wohnraumlüftung in allen Wohnbauprojekten wünscht. Durch den permanenten hygienischen Luftwechsel können Baumängel wie Schimmel vermieden werden.

Bessere Vergabeprinzipien als Erfolgsfaktor
In der anschließenden Podiumsdiskussion waren sich viele der Diskutanten einig: Eine hochqualitative Ausbildung ist das Erfolgsrezept für die Verringerung der Baumängel. „Unser triales Ausbildungssystem ist im Vergleich zu anderen Ländern ein Vorzeigemodell. Die Anforderungen an Handwerker steigen aber kontinuierlich an. Dementsprechend müssen auch die Ausbildungsmöglichkeiten weiter wachsen“, so Georg Steixner, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Tirol. Wenn es um das Image der Lehre geht, gibt es nach wie vor Verbesserungsbedarf. Heutzutage kann man sich mit ausgezeichneter Handarbeit von der Menge differenzieren und eine erfolgreiche, vielversprechende Karriere einschlagen.

Ingenieur Stefan Schwärzler betonte in der Diskussion die Rolle der Medien: „Medienberichte zu Baumängeln sind meist einseitig. In fast allen Beiträgen werden ausführende Unternehmen als ‚Pfuscher’ angeprangert. Dieses Bild entspricht nicht meinen Erfahrungen als Rechtsanwalt: Die Ursache vieler Mängel und Schäden liegt in der Sphäre der Auftraggeberseite. Selbstüberschätzung und Einsparungsversuche bei der Beratung, Planung, Koordination und der örtlichen Bauaufsicht führen oft zu gescheiterten Bauprojekten.“ Thematisiert wurden ebenso die Verfahrensweisen. „Preisdumping und Billigstbieterverfahren haben bei den Planern zu einer negativen Preis-Leistungs-Spirale geführt, sodass Baumängel immer seltener durch falsche Planung, aber immer öfter durch zu wenig Planung verursacht werden“, so Architekt Johannes Schmidt. Durch bessere Vergabeprinzipien könne zukünftig auch mehr Qualität gesichert werden.

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