Risikomanagement in der Baubranche beim Tiroler Bautag 2018

Risikomanagement in der Baubranche beim Tiroler Bautag 2018
Markus Spiegl (SSP BauConsult), Innungsmeister Anton Rieder und Thomas Birtel (Strabag).

Innsbruck (A) Der 11. Tiroler Bautag in der Tiroler Wirtschaftskammer beleuchtete die Frage, wie man trotz Risiken am Bau langfristig erfolgreich sein kann. In der Begrüßungsrede betont Landesinnungsmeister Anton Rieder, dass die Tiroler Bauwirtschaft auf ein erfolgreiches Jahr 2017 zurückblicken kann.

„Die große Herausforderung unserer Zeit ist der Facharbeiter- und Technikermangel. Aber unsere intensive Lehrlingskampagne zeigt Wirkung. Die Anzahl der Lehrlinge und HTL-Schüler konnte deutlich gesteigert werden. Ich möchte mich in diesem Rahmen auch bei allen Betrieben bedanken, die Lehrlinge ausbilden“, so Rieder und ergänzt: „Bauen ist Risiko pur. Aber wie können wir Wagnisse mit einkalkulieren und mit Abweichungen bestmöglich umgehen? Diese Fragen stehen heute im Fokus des Tiroler Bautages.“

Risikomanagement bei großen Infrastrukturprojekten
Markus Spiegl, geschäftsführender Gesellschafter der SSP BauConsult, setzt sich in seinem Arbeitsalltag täglich mit Baurisiken auseinander. „Unser Unternehmen ist weltweit tätig und unterstützt Bauherren bei der Umsetzung großer Projekte“, erklärt Spiegl. Risiko ist für den Sachverständigen in erster Linie eine Zielabweichung, die sowohl Chance als auch Gefahr sein kann. Um das Risikomanagement erfolgreich einzusetzen, braucht es laut dem Experten transparente Kosten und Termine sowie eine robuste Budgetierung mit Informationen zu möglichen Über- oder Unterschreitungen. „Wir müssen eine offene Risikokultur fördern und das Risikomanagement als Teamaufgabe sehen. Wir stellen immer wieder fest, dass der Großteil schief gelaufener Projekte auf ein fehlendes Risikomanagement zurückzuführen ist“, erklärt Spiegl und fordert ein Umdenken der Verantwortlichen: „Beim Wetter geben wir uns mit unsicheren Prognosen zufrieden. Warum akzeptieren wir nicht auch endlich beim Bauen, dass wir zu Beginn nicht sagen können, was ein Großprojekt auf den Punkt genau kosten wird?“ Auch bei kleineren Projekten sei es empfehlenswert, eine abgeschwächte Form des Risikomanagements durchzuführen. Es gibt hilfreiche Tools für jede Größe. Verbesserungsbedarf sieht er auch in der Nachbetrachtung abgeschlossener Projekte. „Nur wenige Unternehmen nehmen sich die Zeit, um aus der Vergangenheit zu lernen. Hier geht sehr viel Wissen verloren“, mahnt Spiegl.

Risikomanagement im digitalisierten Baubetrieb
Auch Strabag-Konzernchef Thomas Birtel ist sich sicher, dass Risikomanagement eine entscheidende Rolle für den Erfolg von kleinen und großen Bauprojekten spielt. Besonders die Digitalisierung könne einen wesentlichen Beitrag zur Risikominimierung leisten. „Die Bauvorhaben sind in den letzten 20 Jahren immer komplexer geworden. Die anspruchsvolle technische Gebäudeausrüstung mit der immer ausgefeilteren Fassadentechnik und mit im Rohbau immer weiter optimierten Gebäudeabmessungen lassen die heutigen Gebäude mehr denn je zum Unikat werden. Zudem müssen wir uns bewusst sein, dass der Fortschritt nie wieder so langsam sein wird, wie heute“, so Birtel. Der Strabag-Konzernchef erläutert in seinem Vortrag, dass die Beeinflussbarkeit der Kosten stark abnimmt, je weiter ein Bauprojekt fortgeschritten ist. Aus diesem Grund müsse man bereits in der frühen Phase - vor dem eigentlichen Baustart - tätig werden, um Risikofaktoren zu minimieren. Mithilfe von Building Information Modeling - kurz BIM - kann man das Risikomanagement stark verbessern. „Ohne den Einsatz von BIM geht Information verloren und wir gehen zwei Schritte vor und einen zurück. In der Strabag gehen wir noch weiter und arbeiten mit BIM 5D. Dabei integrieren wir Materialien, Baumassen und Kosten in die Software und können so effizienter und schneller bauen“, beschreibt der Konzernchef. Dank der Digitalisierung können Risiken bereits virtuell erkannt und bereinigt werden.

Spannende Podiumsdiskussion
Im Anschluss an die Vorträge fand unter der Leitung von Ronald Barazon eine Podiumsdiskussion mit Thomas Birtel, Hans-Georg Kantner (KSV1870), Landesinnunsmeister Anton Rieder und Markus Spiegl statt. Kantner schildert zu Beginn der Diskussion, dass es in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang an Insolvenzen in der österreichischen Bauwirtschaft gab. „Ich stehe ganz klar für ein Bestbieter- und nicht Billigstbieter-Prinzip. Aber auch hier haben wir noch viel Verbesserungsbedarf in der Gewichtung der Auswahlkriterien“, so Kantner. Auch der Facharbeitermangel wurde von den vier Experten thematisiert. „Wir haben viele gute Facharbeiter, jedoch immer noch zu wenig. Es gilt, verschiedene Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Dazu zählt auch die Steigerung der Frauenquote am Bau“, betont Birtel. Spiegl sieht als Ursache für den Fachkräftemangel auch ein Imageproblem: „Die Bauindustrie hat in Österreich Nachholbedarf. Andere Branchen wirken dynamischer und moderner. Die Digitalisierung ist eine Chance, um den Bau attraktiver zu machen.“ Abschließend betont Rieder, dass die Bauwirtschaft noch nicht dort ist, wo sie hingehört: „Wir haben eine höhere Fehlerquote als andere Branchen und müssen die Chance nutzen, uns mit Hilfe digitaler Tools zu verbessern. Wir benötigen ein gesteigertes Vertrauen in die Digitalisierung.“ Zum 11. mal zeigte der Tiroler Bautag, dass sich die Landesinnung nicht scheut, schwierige Themen zu beleuchten. Denn nur der kritische und stetige Blick nach vorne wird die Zukunft der Bauwirtschaft absichern.

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