Steirische Start-up Everlisten entwickelt Plattform, die Hörbeeinträchtigte mit Akustikern verbindet

Steirische Start-up Everlisten entwickelt Plattform, die Hörbeeinträchtigte mit Akustikern verbindet
Rasante Entwicklungen: Everlisten-Gründer Markus Jausovec und Alexander Petschar feilen am digitalen Ökosystem fürs Hören (Foto: Lex Karelly)

Graz (A) Am Welttag des Hörens, dem 3. März, rückt der meistunterschätzte menschliche Sinn in den Mittelpunkt: 430 Millionen Menschen weltweit leiden an Hörschwäche, hierzulande ist es in etwa jeder sechste. In der Steiermark werden am Science Park Graz, der Gründerschmiede der Grazer Universitäten, gezielt innovative Jungbetriebe entwickelt, die sich um den Hörsinn annehmen: So hat das Grazer Unternehmen Everlisten eine Plattform entwickelt, die Hörbeeinträchtigte mit Akustikern verbindet. Clir Technologies filtert mit künstlicher Intelligenz Störgeräusche aus Hörgeräten.

Bereits jeder sechste Steirer leidet unter Hörproblemen – darunter immer mehr junge Menschen. Die Folge sind dramatisch: Hörschwächen führen mittelfristig zu irreparablen Schäden und im schlimmsten Fall sogar zu sozialer Isolation. Genau da setzen die Hightech-Lösungen, die am Science Park Graz entwickelt werden, an: „Unsere Zielsetzung ist es, aus Ideen echte Unternehmen mit gesellschaftlichem Mehrwert zu gestalten. Zuletzt haben wir insbesondere aus dem Bereich der Humantechnologie einen regen Zulauf verzeichnet. Vor allem audioaffine Lösungen nehmen zu“, erklärt Science Park Graz-Geschäftsführer Martin Mössler. Er führt das auf die zuletzt stark gestiegene Popularität „von etwa Podcasts oder Sprachassistenten wie Alexa, Siri & Co.“ zurück. Dadurch würden auch „die Entwicklungen von Start-ups im Grazer Inkubationszentrum angetrieben werden“, bestätigt Mössler.

Medizinisch zertifizierter Hörtest
So hat etwa das junge Grazer Unternehmen Everlisten einen medizinisch zertifizierten Hörtest für das Smartphone entwickelt, mit dem die Hörfähigkeit bequem von zuhause aus überprüft werden kann. „Ziel unserer Entwicklung ist es, das Bewusstsein für das Hören bei der Jugend aber auch in der gesamten Bevölkerung insgesamt zu steigern – und so für sich einschleichende Hörschwächen zu sensibilisieren. Nur durch ein breitenwirksames Bewusstsein für den Hörsinn, das im Idealfall schon in jungen Jahren aufgebaut wird, kann langfristig das Hörvermögen geschützt, die Lebensqualität gesteigert und die Hemmschwelle für Hörgeräte gesenkt werden“, sind sich die beiden Everlisten-Geschäftsführer Markus Jausovec und Alexander Petschar einig.

„Virtuelles Eintrittstor“
Der digitale Zugang sei notwendig, um die Überprüfung „so niederschwellig und einfach wie möglich zu gestalten und auch jüngere Zielgruppen für das Thema Hören zu sensibilisieren“, weiß Petschar. Die sich selbstkalibrierenden Tests, der „Pure Tone Threshold-Test“ (PTT) sowie der „Masked Threshold-Test“ (MT), sorgen für die hohe Qualität der medizinischen App-Überprüfung. Entscheidend: „Auf Basis dieser Ergebnisse ermöglicht unsere Entwicklung den Usern einen Kontakt zum richtigen Akustiker in der Nähe. Unsere digitale Plattform bringt Menschen, die Informationen zur eigenen Hörgesundheit suchen, mit Akustikern zusammen“, sagt Jausovec. Während der potenziell Hörbeeinträchtigte schnell und unkompliziert an den richtigen Experten vermittelt wird, avanciert „die App aus Sicht des Akustikers zu einer individuellen Präsentationsfläche der Kompetenzen“, so der Everlisten-Entscheidungsträger.

„Unsere App ist einerseits virtuelle Eintrittstor des Users zum Akustiker des Vertrauens, zum anderen auch Plattform für das Thema Hören“, fasst Jausovec zusammen. Letzteres wird durch umfangreiche Informationen, Beiträge und News rund um das Thema Hören abgebildet. Während hierzulande mit Neuroth der Marktführer bereits an Bord ist, rollt Everlisten die Applikation aktuell mit einer Werbe- und Marketingoffensive in der Schweiz aus. „Der Markt weist deutliche Parallelen zum heimischen und deutschen Markt, auf dem wir bereits seit einigen Monaten sehr erfolgreich agieren können, auf. Daher erwarten wir uns einen massiven Zuwachs an weiteren Akustikern, die sich unserer Funktionalitäten bedienen“, sagt Jausovec. Nur als Anhaltspunkt: Bereits 300 Akustiker-Stores sind aktuell auf der App gelistet, durch die Internationalisierung soll sich der Wert in den kommenden Monat auf 500 erhöhen.

Rauschreduktion: Smartphone-Filter für moderne Hörgeräte
Ebenfalls auf den Hörsinn hat sich das Grazer Start-up clir technologies spezialisiert: Da Hörgeräteträger trotz modernster Technik nach wie vor an lauten Umgebungsgeräuschen leiden, trennt das Unternehmen die Störgeräusche von der Sprache. Um Hintergrundgeräusche zu reduzieren, nutzen die Grazer künstliche Intelligenz  – Teile der dafür nötigen Berechnungen erfolgen am Smartphone. „Durch die von uns entwickelte Technologie wollen wir die Klangqualität der Sprache in Echtzeit spürbar verbessern“, erklärt Krassnitzer, der damit ein nach wie vor vorhandenes Problem von selbst modernen Hörgeräten adressiert: „Diese können Sprache und Störgeräusche oft nicht wirksam voneinander trennen und verstärken daher alle eingehenden Signale, was die Sprachklarheit und die Verständlichkeit in lauten Umgebungen beeinträchtigt. Dieses Problem beseitigt unsere Lösung“, betont der Start-up-Gründer, der aktuell zwei Mitarbeiter beschäftigt.

Der Anstoß zur Gründung von clir technologies liegt schon viele Jahre zurück. Da der Bruder von Gründer Andreas Krassnitzer seit seinem sechsten Lebensmonat unter einer schweren Hörschwäche leidet, war dem Gründer sofort klar, „hier etwas zu besseren Lebensumständen beitragen zu wollen. Hintergrundlärm ist bis heute das größte Problem für Leute mit Hörschwierigkeiten“, erzählt Krassnitzer. Im Juli des Vorjahres schritt er zur Tat – und hob gemeinsam mit Stefan Stücklschweiger, Geschäftsführer von „Fifteen Seconds“, clir technologies aus der Taufe.

Smartphone-App für Podcasts
Um die Technologie am Markt zu erproben, wird clir technologies in den kommenden Wochen eine erste Smartphone-App zur Entfernung von Störgeräuschen bei Podcasts veröffentlichen. „Damit können wir Daten sammeln und unsere KI-Modelle mit Hilfe eines weniger sensitiven Bereichs optimieren. Dieses Feedback des Marktes ist für uns in der weiteren Entwicklung sehr relevant“, erklärt Krassnitzer. Beta-Tester für die App werden aktuell gesucht. Insgesamt konnte das junge Unternehmen zuletzt rund 350.000 Euro an Fördergelder von aws und der Forschungsförderungsgesellschaft lukrieren. Auch Risikokapital von Investoren soll auf lange Sicht an Bord geholt werden. Den dafür nötigen langen Atem bringt clir-Gründer Krassnitzer mit – das beweist er insbesondere in seiner Freizeit: Der Triathlet hat im September des Vorjahres zwei „Ironman“ über die Volldistanz absolviert – innerhalb einer Woche. Das Startkapital für sein Unternehmen hat er indes bei der Fernsehshow „Quizmaster“ auf Servus TV eingesammelt: Ende 2018 ging er 13 Mal in Folge als Sieger des TV-Quizzes hervor.

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