TÜV Süd Impulse: Expertentalk zu Perspektiven für Recycling und Kreislaufwirtschaft in Österreich

TÜV Süd Impulse: Expertentalk zu Perspektiven für Recycling und Kreislaufwirtschaft in Österreich

Jenbach (A) Im Rahmen des virtuellen TÜV Süd Impulses "Packen wir´s an: Mit Recycling und Kreislaufwirtschaft zur Ressourcenwende" diskutierten Top-Experten aus der Verpackungsbranche, des Abfall- und Recyclingsektors sowie der Wissenschaft über Herausforderungen, Chancen und Lösungen hin zur Etablierung funktionierender kreiswirtschaftlicher Systeme, Recycling und Umweltschutz. Im Fokus standen wirtschaftliche, wissenschaftliche, gesellschaftliche, regulatorische und technologische Perspektiven. Über 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung. Durch die Veranstaltung führten Dipl.- Ing. Viktor Metz, Geschäftsführer TÜV Süd in Österreich, und Moderatorin Dr. Gudrun Ghezzo.

Mit dem "Circular Economy Action Plan" setzte die Europäische Kommission im März des Vorjahres den Startschuss für regulatorische und politische Maßnahmen, Initiativen und Strategien zur Transformation der Wirtschaft hin zu kreiswirtschaftlichen Systemen und mehr Umweltschutz. Mittels Verankerung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen auf regulatorischer Ebene soll die Vermeidung von Abfällen, die Rückführung von Wertstoffen in den Lebenszyklus von Produkten sowie die Schaffung funktionierender Sekundärrohstoffmärkte gefördert werden.

In seinem Vortrag beleuchtete Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Roland Pomberger, Leiter des Lehrstuhls Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben, die Recyclingfähigkeit von Produkten und Materialien, sowie deren Integrationsfähigkeit in kreislaufwirtschaftliche Systeme: "Die Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Produkten ist der zentrale Schlüssel um die Kreislaufwirtschaft in sämtlichen Sektoren voranzutreiben. Denn jedes Produkt wird früher oder später zu Abfall, es ist nur eine Frage der Zeit. Dies betrifft nicht nur Verpackungen, sondern grundsätzlich alle Arten von
Gütern."

Diskussionen konzentrieren sich häufig auf Modelle zur grundsätzlichen Recyclingfähigkeit von Materialien und Werkstoffen aus denen die Produkte bestehen. Dies greift jedoch zu kurz: "Maßgeblich ist die reale Recyclingfähigkeit. Nur wenn auf regionaler Ebene alle Voraussetzungen vorhanden sind, um Wertstoffe zu sammeln, zu sortieren und zu recyceln können durch tatsächliche Erhöhung der Sammelmenge und Sortiertiefe sowie funktionierende Sekundärrohstoffmärkte Verbesserungen der Recyclingquote erreicht werden. Zur Nutzung des vollen Potenzials von Wertstoffen müssen wir  deshalb stärker von der theoretischen hin zu einer realen Betrachtung der Recyclingfähigkeit von Materialien gelangen um die Ressourcenwende zu ermöglichen", so Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Roland Pomberger.

Dr. Robert Hermann, Geschäftsbereichsleiter "Umwelttechnik & Klimaschutz" bei TÜV Süd in Österreich, beschäftigte sich in seinem Impulsvortrag mit der Absicherung von Qualität und Zuverlässigkeit von Materialien, Produkten und technischen Systemen in der Kreislaufwirtschaft: "Eine wesentliche Herausforderung der Kreislaufwirtschaft ist der Umgang mit Wertstoffströmen unterschiedlicher Reinheit, Größen, Zusammensetzung und Qualität. Gesichert hohe Qualität und Quantität von Rezyklaten sind Grundbedingung für Wirtschaftlichkeit. TÜV Süd unterstützt bereits heute in sämtlichen relevanten Prozessen – von der Prüfung und Bewertung der Recyclingfähigkeit von Materialien, der Qualität von Rezyklaten oder der Kennzeichnung des Rezyklat Anteils über Bewertungs- und Prüfmethoden für qualitätsgesicherte Outputströme und Sortierleistungseffizienz bis hin zur Kalibrierung von Messeinrichtungen und Datensicherheit."

Weiteren Handlungsbedarf sieht er auf regulatorischer Ebene: "Damit die Kreislaufwirtschaft gelingt, ist Qualitätssicherung ein kritischer Engpass. Richtlinien, Normen und Standards für Bewertungsverfahren, Prüf- und Messmethoden durch unabhängige Dritte schaffen Vertrauen und sichern Qualität. Es gibt bereits Bewegung, nun gilt es rasch, möglichst einheitliche Regelungen zu schaffen und in die Praxis zu übersetzen."

Intelligente Technologie und Digitalisierung
Wesentlich für das Recycling von Wertstoffen ist deren Sortierfähigkeit. Intelligente, sensorgestützte und digitalisierte Sortiertechnologie ermöglicht Fortschritte zur Erhöhung von Recyclingquoten. Tobias Zirsch, Vertriebsingenieur bei Redwave, führte dazu aus: "Die qualitativ und wirtschaftlich effiziente Sortierung von Wertstoffen ist für die Etablierung der Kreislaufwirtschaft von größter Bedeutung. Mit Redwave mate setzen wir zur Überwachung und Optimierung von Sortieranlagen auf maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. So können Paramater von Sortieranlagen bereits bei der Anlieferung auf ihre Zusammensetzung qualifiziert werden, um den Output qualitativ und quantitativ zu erhöhen. Datenströme werden in Echtzeit gewonnen, sind sofort verfügbar und ermöglichen durch maschinelles Lernen weitere Verbesserungen der Parametrierung von Sortieranlagen."

Regulatorische und gesellschaftliche Perspektiven der Kreislaufwirtschaft standen wiederum im Fokus des Vortrages von Mag. Christian Abl, Geschäftsführer der Reclay Österreich GmbH. "Wir beobachten in unserer Branche einen hohen Investitionsdruck im Nachhaltigkeitsbereich. Für das Schließen einer modernen Kreislaufwirtschaft benötigt es nicht nur ein holistisches Zusammenspiel der einzelnen Stakeholder. Sämtliche ökologischen Aspekte müssen berücksichtigt werden, unter anderem Recyclingfähigkeit, Ökobilanz oder Produktschutz. Um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können, setzen wir vermehrt auf die Digitalisierung unseres Portfolios", so der Experte.

Herausforderungen für Entsorgungsbetriebe und Hersteller
Auch die wirtschaftliche Dimension der Kreislaufwirtschaft stand im Zentrum des TÜV Süd-Impulses. Ing. Mag. Gerald Schmidt von der Saubermacher Dienstleistungs AG plädierte für Verbesserungen in der Planbarkeit für Entsorgungsbetriebe: "Entsorgungsbetriebe benötigen langfristige Planbarkeit und regulatorische Sicherheit um ambitionierte Ziele der Europäischen Union erreichen zu können. So sieht der Begutachtungsentwurf zur Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes zum Beispiel keine langfristige Lösung zum Umgang mit Pfandsystemen vor, wodurch zum Beispiel dringend benötigte Investitionen in moderne Sortieranlagen aufgeschoben werden könnten. Ebenfalls kritisch zu betrachten ist die Verlagerung des Transports auf die Schiene. Eine damit einhergehende Verteuerung der stofflichen Verwertung könnte dazu führen, dass Produzenten verstärkt auf Primär- anstatt Sekundärrohstoffe setzen und Recyclingbetriebe ins Ausland abwandern. Im Sinne eines Verursacherprinzips gilt es zudem auch Hersteller stärker in die Verantwortung zu nehmen. Etwa bei Lithiumbatterien, die durch unsachgemäße Entsorgung durch Verbraucher zu Bränden und dementsprechenden Schäden führen."

Die Herstellerperspektive wurde von Dr. Stephan Laske, R&D Director bei Greiner Packaging, vertreten. Er strich dabei hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Entsorgern in den vergangenen Jahren immer stärker intensiviert wurde und vermehrter Austausch wesentlich zur Verbesserung der Situation beiträgt. Ein bisher ungelöstes Spannungsfeld sieht er im Zusammenspiel zwischen Technologie und Regulierung: "Rund 70 % des Materialportfolios unserer Lebensmittelverpackungen besteht aus Polypropylen, welches jedoch aus regulatorischen Gründen nicht als Rezyklat für dieses Produktsegment zur Verfügung steht. Dies macht deutlich, dass Kreislaufwirtschaft der Business Case der Schnittstelle ist. Eine Lösung des technisch-juristischen Spannungsfeldes ist unumgänglich. Für möglichst rasche Ergebnisse gilt es deshalb vor allem dort anzusetzen, wo entlang der Produktkreisläufe keine Werte geschaffen werden."

Im Anschluss an die Impulsvorträge hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der virtuellen TÜV Süd-Bar die Möglichkeit zum direkten Austausch mit den Experten.

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