Unternehmensinsolvenzen 2017 leicht rückläufig

Unternehmensinsolvenzen 2017 leicht rückläufig
Dr. Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des KSV1870

Wien (A) Auch 2017 war die Zahl insolventer Unternehmen mit nur 5.030 leicht rückläufig. Das ist ein rekordverdächtiges Minus von 3,8% gegenüber 2016. Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt, an der Insolvenzfront bleibt es ruhig.  Insgesamt wurde über 2.997 Unternehmen ein Insolvenzverfahren an einem der 16 Handelsgerichte (Landesgerichte in Handelsgerichtsbarkeit) eröffnet, was ca. 12 Verfahren pro Gerichtstag entspricht. Betroffen waren ca. 16.200 Dienstnehmer (= ein Minus 16%), die Verbindlichkeiten nahmen gegenüber 2016 sogar um 38% auf EUR 1,8 Milliarden ab.

Über das Vermögen von 2.033 Unternehmen wurde kein Verfahren eröffnet, weil die Gerichte das Vermögen für nicht kostendeckend ansahen und weder Schuldner noch Gläubiger in der Lage bzw. bereit waren, einen Kostenvorschuss zu erlegen. Dieser Wert liegt auch unter dem Vorjahr, allerdings nur 1,5 %.

Die knapp über 5.000 insolventen Unternehmen 2017 bedeuten den niedrigsten Wert seit 20 Jahren. 1998 hatte es aufgrund einer Insolvenzrechtsreform (IRÄG 1997) nur 4.816 Fälle gegeben. Grund war damals eine wesentlich längere und aufwändigere Prüfung durch die Gerichte. Bereits im Folgejahr stiegen die Insolvenzen wieder aufgrund eines Nachzieheffekts.

Besonders deutlich wird der Rückgang im Jahr 2017, wenn man ihn an der Zahl der ca. 430.000 aktiven Unternehmen (ohne Ein-Personen-Unternehmen) in Österreich misst. Dieser Vergleich ergibt eine Insolvenzhäufigkeit der österreichischen Unternehmen von einmalig niedrigen 1,2 %.

Der Bundestrend des Jahres 2017 setzt sich aus teilweise sehr unterschiedlichen Länderzahlen zusammen: Dem zweistelligen Plus in Niederösterreich stehen fast ausnahmslos teilweise sogar zweistellige Rückgänge gegenüber. Die „Sondersituation“ in NÖ ist dem Umstand geschuldet, dass das immer wichtiger werdende Umland von Wien auch einen neuen Stellenwert in der Insolvenzstatistik erlangt. In Tirol gab es eine deutliche Verschiebung von Nicht-Eröffnungen zu Eröffnungen, in Summe jedoch noch einen kleinen Rückgang von ca. 2,5 %. Sonst laufen die Veränderungen durchwegs parallel.

Die Frage, ob in einem Insolvenzfall ein Verfahren eröffnet wird oder nicht, wird keinesfalls vom Gesetz genau vorgegeben. Vielmehr spielen die Rahmenbedingungen und die Einschätzung der Gerichte eine wichtige Rolle. Es gibt durchaus Unterschiede in den einzelnen Bundesländern (siehe Grafik), die von 30 % zu 52 % an Nicht-Eröffnungen reichen. Das ist ein Unterschied wie von 3 zu 5 oder plus zwei Drittel.

Branchen im Vergleich:

Einige der Branchen an der Spitze sind Branchen mit sehr vielen Unternehmen, was aus statistischen Gründen auch bei unterdurchschnittlichen Insolvenzzahlen zu einem Platz unter den ersten dreien reicht: Das sind Gastronomie (inklusive Beherbergung) als zahlenmäßig größte Branche in Österreich, gefolgt von unternehmensbezogenen Dienstleistungen, das sind z. B. Holdingfunktionen für eine Firmengruppe bis zu verschiedenen Services vor allem im Bereich der Beratung und des Immobiliengewerbes. Immer wieder „Kombinationssieger“ ist die Baubranche, die sowohl an Zahl als auch an Höhe der betroffenen Schulden unter den Top 3 liegt.

KSV1870 Insolvenzleiter Dr. Hans-Georg Kantner erläutert dieses Phänomen: „Oft sind es Großaufträge, die zu nur marginalen Preisen hereingenommen werden, wobei auch nicht immer eine positive Marge einkalkuliert worden sein mag. Die Langfristigkeit der Projekte und die Höhe der dabei bewegten Geldsummen erzeugt nicht selten eine fatale Dynamik. Viele der insolventen Unternehmen sind auch Subunternehmer, die schon von vornherein nicht über die Bonität verfügen, eventuell aus dem Projekt resultierende Verluste aufzufangen. Und wie bei einem Maßanzug gibt es keine Garantie, dass das Werk auf Anhieb fehlerlos sitzt. Die Preise aber sind so kalkuliert, dass Änderungen oder Reparaturen kaum mehr Platz finden. Die bei handwerklichen Baumeistern seit Generationen gepflogene Usance eines z. B. 10%igen Zuschlages für „Unvorhergesehenes“ ist bei Großprojekten weder üblich noch möglich. Nur zeigt die Erfahrung, dass diese 10 % nicht selten wirklich gebraucht würden“.

Ausblick auf 2018:
Seit geraumer Zeit schnurrt der Konjunkturmotor: Er heult nicht auf, brüllt nicht, aber er schnurrt und die Zeichen stehen auf „GO“. In anderen Worten: Für 2018 werden in einigen wichtigen Weltmärkten deutliche Wachstumsimpulse erwartet. Diese werden zweifellos auch in der exportorientierten österreichischen Wirtschaft ankommen und endlich Investitionen der Unternehmen in industrielle Kapazitäten nach sich ziehen. Investitionen, die bislang eher unterblieben sind. Sobald diese – nicht nur in Österreich – spürbar anziehen, werden auch die Euro-Zinsen im Gefolge der dadurch ausgelösten Konjunktur angehoben werden. Vorsichtig zuerst, aber spürbar jedenfalls. Und sobald dies geschieht, werden die Insolvenzen auch wieder ansteigen. Mit einem solchen Anziehen der Zinsen kann allerdings frühestens in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres gerechnet werden, sodass absehbar ist, dass die Insolvenzen nächstes Jahr nicht mehr sinken, sondern latent ansteigen werden. Wenn ein Anstieg, dann allerdings nur im niedrigen einstelligen Bereich.

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