Alle unter einem Dach – Ist das Mehrgenerationenhaus ein Zukunftsmodell?

Alle unter einem Dach – Ist das Mehrgenerationenhaus ein Zukunftsmodell?

Die Menschen in vielen Ländern Europas werden immer älter. Diese Aussage trifft auch auf Österreich zu. Die demografische Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, unter anderem auch für die Schaffung von altersgerechten Wohnraum. Bei Senioren und bei denjenigen, die es in absehbarer Zeit werden, wächst das Bedürfnis nach alternativen Wohn- und Betreuungsformen. Das Modell des Mehr-Generationen-Hauses ist eine Option für ein alternatives Wohnkonzept und erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

Demografische Entwicklung in Österreich
Die demografische Entwicklung hierzulande wird von drei Tendenzen maßgeblich geprägt:
Steigende Lebenserwartung:
Im Durchschnitt steigt die Lebenserwartung um zwei Jahre pro Jahrzehnt an. Zurzeit beträgt sie bei Männern 77,7 Jahre, bei Frauen liegt sie bei 83,1 Jahren.
Niedrige Fertilität:
Die Fertilitätsrate, d.h. die durchschnittliche Zahl der Geburten je Frau, liegt bei 1,44 Kindern pro Frau und damit deutlich unter dem Reproduktionsniveau.
Zunehmende Migration:
Zurzeit leben etwa 8,5 Millionen Menschen in Österreich. Ohne Zuwanderung würde die österreichische Bevölkerung stagnieren und mittel- bis langfristig schrumpfen.

Aufgrund der zunehmend älteren Bevölkerung will sich die Stadt Wien beim Wohnbau verstärkt auf die ältere Generation konzentrieren. Neben der Förderung der Barrierefreiheit will die Stadt auf neue Wohnformen wie Alters-WGs setzen. Der Bau neuer Immobilien soll nur noch barrierefrei erfolgen, der Fokus liegt indes verstärkt auf Mehr-Generationen-Häuser bzw. Mehr-Generationen-Wohnungen.

Was beinhaltet das Modell des Mehr-Generationen-Wohnens?
Das Modell des Mehr-Generationen-Wohnens wird auf diesem öffentlichen Gesundheitsportal vorgestellt: "Mehr-Generationen-Wohnen bedeutet, dass ältere Menschen gemeinsam mit Familien und jungen Menschen unter einem Dach leben. Das Zusammenleben ist von einer familienähnlichen Situation oder vom Nachbarschaftsgedanken geprägt. Menschen aller Altersgruppen wohnen gemeinsam in einer Wohnanlage mit unterschiedlich großen (barrierefreien) Wohneinheiten, in einem Haus oder auch in einer kleineren Wohnung.“ Quelle: gesundheit.gv.at

Das Wohnen in einem Mehr-Generationen-Haus ist langfristig angelegt und basiert auf freiwilligem Zusammenleben. Es ist üblich, dass mehrere unabhängige und Personen verschiedener Altersklassen bzw. Generationen in einer großen Wohnung oder in einem Haus eine Gemeinschaft bilden. Im Regelfall handelt es sich um mindestens zwei voneinander getrennte Wohneinheiten. Gemeinschaftsräume wie Küche, Bad, Aufenthalts- und Hobbyräume, Gästezimmer, Wohnzimmer und Gartenflächen werden nach vereinbarten Regeln zusammengenutzt. Das Mehrgenerationen-Wohnen kann unterschiedliche Formen annehmen. Es kann eine reine Wohn- und Zweckgemeinschaft sein oder die zusammenlebenden Personen erwirtschaften ihren einzelnen sowie gemeinsamen Lebensunterhalt.

Vor- und Nachteile des Mehr-Generationen-Wohnens
Das Modell sieht vor, dass die verschiedenen Generationen vom Zusammenleben profitieren. Senioren können Familien, vor allem Alleinerziehende, bei alltäglichen Aufgaben wie beispielsweise bei der Betreuung der Kinder unterstützen. Ältere Menschen profitieren im Gegenzug von den helfenden Händen der Mitbewohner etwa bei der Erledigung von Einkäufen. Zudem sind die Senioren durch eine Mitfahrgelegenheit mobiler, können einfacher zu Arztterminen gefahren werden und verfügen über mehr soziale Kontakte. Das zunehmende Phänomen des Alleinseins im Alter soll so ein Stück weit begrenzt werden. Die meisten Menschen wollen so lange es geht in ihrem Zuhause und in der bekannten Umgebung bleiben.

Im Falle der Pflegebedürftigkeit müssen die älteren Menschen ihre vertraute Umgebung nicht notwendigerweise verlassen. Mobile Pflegekräfte suchen die pflegebedürftigen Menschen auf, sie sind jedoch nicht immer anwesend. Hier ist die unmittelbare Nähe der Mitbewohner ein großer Vorteil. Wenn eine intensive Pflege durch Fachpersonal nötig ist, stößt das Mehr-Generationen-Modell an seine Grenzen, es sei denn professionelle medizinische Versorgung und Betreuung kann gewährleistet werden.

Das Wohnen im Mehr-Generationen-Haus ist nicht für jede Person geeignet. Menschen, die ihre Ruhe haben wollen, werde diese bei spielenden Kindern oder musizierenden Mitbewohnern eher nicht finden. Des Weiteren kann in diesen Wohnanlagen eine hohe Fluktuation herrschen. Gerade für ältere Menschen, die auf Kontinuität bauen und auf ein bekanntes Umfeld brauchen, kann dies belastend sein.

Herausforderung und Chancen für Haubesitzer und Vermieter
Wenn eine bestehende Wohnung oder ein Haus zu einem Mehr-Generationen-Wohnung bzw. Mehr-Generationen-Haus umfunktioniert werden soll, sind einige Umbaumaßnahmen erforderlich. Für Vermieter und den Besitzer eines Hauses resultieren hieraus sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Grundsätzlich sind für einen solchen Umbau Immobilien in der entsprechenden Größe im Vorteil, wenn diese bereits über einen Aufzug verfügen oder sich in einer verkehrsgünstigen Lage befinden. Vermieter oder Besitzer von Mehr-Generationen-Häusern können diese auf den gängigen Immobilienplattformen wie immobilienscout24.at inserieren und in einigen Orten eine Nische besetzen, wenn ihr Haus das einzige oder eines der wenigen dieser Art in dem jeweiligen Ort ist. Als erfreulichen Nebeneffekt können die Umbaumaßnahmen zu einer Wertsteigerung der Immobilie führen.

Herausforderungen beim Umbau
Vor allem ältere Menschen sowie Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, die in ein Mehr-Generationen-Haus ziehen möchten, benötigen ein Wohnumfeld, das an ihre Bedürfnisse angepasst ist. So stellen beispielsweise Stiegen Menschen mit einer Gehbehinderung vor große Probleme. Gleiches gilt bei körperlich eingeschränkten Menschen für bodennahe Steckdosen, die herkömmliche Dusche oder Badewanne sowie für Türschwellen. Die Räume müssen so umgebaut werden, dass Menschen diese mit einer Gehhilfe oder Rollstuhl betreten können. Hierfür kann es notwendig sein, ein großes Haus in kleinere Einheiten umzubauen.  

Bei Neubauten sowie in Mehr-Generationen-Häusern sollte die Barrierefreiheit gewährleistet sein.

Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hat 2013 ein Handbuch mit dem Titel „Mobilität im Alter“ veröffentlicht. Darin sind unter anderem Maßnahmen für die Raumplanung aufgeführt. Hieraus lässt sich eine Checkliste mit Kriterien erstellen, wie eine altersgerechte Wohnung und somit auch ein Teilbereich in einem Mehr-Generationen-Haus aussehen sollte:

  • Schwellenfreier Zugang zu allen Räumen
  • Barrierefreier Zugang zum Lift
  • Türbreite: Mindestens 90 cm
  • Ausreichende und blendungsfreie Beleuchtung
  • Genügend Lichtschalter in 80 bis 100 cm Höhe
  • Steckdosen in mindestens 40 cm Höhe
  • Schwellenfreier Zugang zur Dusche oder abgeschrägter Duschablauf
  • Stützgriffe bei der Benutzung der Toilette
  • Verschiebbare Betten, die von allen Seiten zugänglich sind

Förderung für Umbauten
Vor dem Bau bzw. Umbau eines Mehr-Generationen-Hauses ist es empfehlenswert, sich über Wohnbauförderungen zu erkundigen. Auf den Webseiten der Bundesländer können Informationen hierzu eingeholt werden.

Bildquelle:
Bild 1: pixabay.com © wolfields  (CC0 1.0)
Bild 2: pixabay.com © stux (CC0 1.0)

Auf Social Media Teilen:          

Könnte Sie auch interessieren